Runder Tisch der Adoptiv- und Pflegefamilienverbände fordert Verbesserungen in der Pflegekinderhilfe

Im Februar 2017 hat der Runde Tisch der Adoptiv- und Pflegefamilienverbände, in dem auch der Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. aktiv ist, sein Positionspapier überarbeitet. Darin werden deutliche Verbesserungen und eine Vereinheitlichung der Pflegekinderhilfe gefordert.

Pflegekinder in Deutschland – Forderungen an Politiker, öffentliche und freie Träger

In Deutschland leben fast 84.000 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien.
Nachweislich ist die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien eine langfristig wirtschaftliche und eine der erfolgreichsten Hilfen zur Erziehung.

Dennoch zeichnet sich das Pflegekinderwesen in Deutschland durch unterschiedliche landesrechtliche Regelungen und regional große Unterschiede in seiner Fachlichkeit und praktischen Umsetzung aus.

Wenn das Pflegekinderwesen als nicht verzichtbare Hilfe zur Erziehung langfristig Bestand haben soll, sind Verbesserungen der gesetzlichen Grundlagen und der  Rahmenbedingungen der Pflegekinderhilfe dringend erforderlich.

Wir Pflegefamilienverbände erwarten im Interesse der Pflegekinder, dass folgende Missstände geändert werden:

•    Landesjugendämter haben hervorragende Qualitätsstandards für die Pflegekinderarbeit entwickelt. Da diese Standards nur Empfehlungen sind, haben sie keinen verpflichtenden Charakter gegenüber den kommunalen Jugendhilfeträgern.
•    Die Unterbringung von Kindern mit Behinderungen in Pflegefamilien ist derzeit gesetzlich nicht klar geregelt. Bisher schieben sich die Eingliederungshilfe und die Jugendhilfe gegenseitig die Verantwortung zu und sie kommunizieren nicht miteinander.
•    Durch die derzeitigen gesetzlichen Regelungen ist keine Kontinuität der Ausstattung, Beratung und Betreuung gesichert. Pflegeverhältnisse und die Hilfepläne werden durch Wechsel der Zuständigkeiten wiederholt in Frage gestellt.
•    Die Hilfe zur Erziehung endet oft rigoros mit dem 18. Lebensjahr. Im SGB VIII ist geregelt, dass für junge Volljährige der Verbleib in der Pflegefamilie auch bis zum 21. Lebensjahr gewährt werden kann. Anträge werden häufig abgelehnt.
•    Durch fehlende gesetzliche Grundlagen im Familienrecht besteht eine fortdauernde rechtliche Unsicherheit hinsichtlich eines Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie. Das Kind muss jederzeit und wiederholt eine Herausnahme befürchten.
•    Bei gerichtlichen Verfahren zu Umgangskontakten und Rückkehrwünschen der Herkunftseltern des Pflegekindes können Pflegeeltern nur dann daran teilnehmen, wenn das Gericht sie als Beteiligte hinzuzieht.
•    Bei familiengerichtlichen Verfahren zu Umgang oder Herausgabe, die Kinder mit Behinderungen betreffen, fehlt häufig die fachliche Expertise zur Entscheidungsfindung.
•    Das gesetzlich mögliche Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII für Beratung und Betreuung wird Pflegeeltern verweigert.

Wir Pflegefamilienverbände fordern:

1. Die Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder.

2. Bundeseinheitliche Mindeststandards in der Pflegekinderhilfe:

– Verpflichtende Einrichtung eines Spezialdienstes für Pflegekinder mit maximaler Fallzahl von 25 Pflegekindern pro Vollbeschäftigtem
– Verpflichtende Fort- und Weiterbildung der FachberaterInnen
– Schriftlich festgelegte Qualitätsstandards für die Vorbereitungs-, Vermittlungs- und Beratungstätigkeit
– Alle öffentlichen Träger müssen auch Pflegestellen nach § 33 Satz 2 vorhalten.
– Fallführung im SGB VIII für Kinder mit Behinderung in Eingliederungshilfe

3. Umsetzung bundeseinheitlicher Mindestausstattung der Pflegefamilien:

– Umfassende Beratung über die rechtlichen und finanziellen Ansprüche der Pflegefamilie
– Umfassende Beratung zu pädagogischen und therapeutischen Themen
– Supervisions- und Fortbildungsanspruch
– Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2017 (bzw. des jeweiligen aktuellen Jahres) als Mindestleistung
– Für Kinder mit besonderen Beeinträchtigungen erhöhte Aufwandsentschädigung
– Differenzierte Angebote zur Entlastung der Pflegeeltern unter Beachtung von vorrangigen Leistungsträgern
– Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen für Selbstzahler (Pflegeeltern)
– Übernahme der anteiligen Kosten einer angemessenen Alterssicherung pro Pflegekind

4. Stärkung der Kompetenz des Fachdienstes, der das Pflegekind und die Pflegefamilie betreut.
Verwaltungsmäßiger Wechsel der Zuständigkeit darf nicht zu Lasten des Pflegekindes und der Pflegefamilie gehen.

5. Die Verlängerung der Hilfemaßnahme in der Pflegefamilie mindestens bis zum 21. Lebensjahr.

6. Änderungen des BGB:
Sicherung von Beziehungskontinuität durch Einführung einer zivilrechtlichen Absicherung (analog zum § 37 SGB VIII) der auf Dauer angelegten Lebensperspektive
– Der Verbleib eines Kindes in einer Pflegefamilie ist gegen wiederkehrendes Herausnahmeverlangen abzusichern.
– Pflegekinder dürfen bei Gerichtsentscheidungen zu Umgangskontakten nicht länger mit Scheidungskindern verglichen werden (ergebnisoffene Prüfung im Einzelfall).
– Fortbildung für Richter zu den Themen, die Pflegekinder betreffen, wie Bindung und Trauma.
– Beteiligtenstatus für Pflegeeltern in allen familienrechtlichen Verfahren, die ihre Pflegekinder betreffen.

7. Abstimmung der unterschiedlichen Sozialleistungsressorts.
Gesetzliche Regelungen in den Sozialgesetzbüchern dürfen einander nicht wiedersprechen.

8. Wunsch- und Wahlrecht von Pflegeeltern nach § 5 SGB VIII.
Pflegeeltern müssen die Möglichkeit haben zu wählen. Das setzt voraus, dass mehrere Angebote vorhanden sind.

Pflegefamilien sind eine sehr kindorientierte Hilfe.

Damit sich auch in Zukunft Familien finden, die diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, brauchen wir auf allen Ebenen ein Engagement, das den Kindern ein glückliches und erfolgreiches Erwachsenwerden ermöglicht.

Februar 2017

PFAD-BV e.V.
AGENDAPflegefamilien
BAG KiAP e.V.
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.

Hier gibt es das Positionspapier als PDF [69 KB].

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