Mit einem gemeinsamen Positionspapier zur Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe geben die drei Pflegefamilienverbände PFAD Bundesverband e.V., Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. und AGENDAPflegefamilien Anregungen zur dringend notwendigen gesetzlichen Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.
Das Papier enthält Forderungen und Verbesserungsvorschläge für die 19. Legislaturperiode und richtet sich an Regierungsmitglieder und Bundestagsabgeordnete genauso wie an die Mitarbeiter der betreffenden Ministerien und Entscheidungsträger in der Kinder- und Jugendhilfe.
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Die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe
Mitreden – Mitgestalten, ein Beitrag der Pflegefamilienverbände
Die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe sollte in der letzten Legislaturperiode im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) ihren Abschluss finden. Dieses Gesetz ist bisher nicht in Kraft getreten. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Kinder- und Jugendhilfe auf der Basis dieses Gesetzes weiterentwickelt werden soll. Das dabei aus der Perspektive der Pflegekinderhilfe bedeutsame Thema ist die Sicherung der Kindesinteressen bei Fremdunterbringung. Was bedeutet dies?
1) Ein Recht auf Familie haben auch behinderte Kinder
Für alle behinderten Kinder sind entsprechende Angebote der Fremdunterbringung in Familien bedarfsgerecht auszugestalten. Dazu gehören außer den behinderungsspezifischen Bedarfen des Kindes auch Entlastungs-, Fortbildungs-, Beratungs- und andere Unterstützungsbedarfe der Pflegeeltern. Für Kinder mit besonderem Bedarf im Bereich der Gesundheitsfürsorge sind Teile der Personensorge wie Gesundheitsfürsorge und das Recht Anträge zu stellen dringend an die Pflegeeltern zu übertragen. Wenn die Eingliederungshilfe Kostenträger ist, müssen die Ausführungsbestimmungen im SGB IX und XII den Regelungen aus dem SGB VIII §§ 36 bis 39 entsprechen. Die Zusammenarbeit der Ministerien und das Zusammenführen der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe sind unverzichtbar, um eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe herbeizuführen.
2) Vorbereitung und Unterstützung der Pflegeeltern
Eine gute Vorbereitung und Unterstützung der Pflegefamilien braucht qualifizierte Fachkräfte, die ausreichende zeitliche Ressourcen haben. Die Unterstützung der Pflegeeltern, einschließlich Entlastungsangebote und Fortbildung, sind nach Bedarf zu finanzieren. Pflegefamilien agieren in einem Bereich unterschiedlicher Erwartungen. Daher sind den Pflegeeltern Beratung und Supervision anzubieten. Dafür gilt das Wunsch- und Wahlrecht.
3) Umgang zum Wohl des Kindes
Pflegekinder haben ein Recht, aber nicht die Pflicht, auf Kontakt/Umgang mit ihren leiblichen Eltern. Die Anerkennung der Kinderrechte bei der Umgangsthematik bedeutet zwingend, dass die Aussage des Kindes respektiert wird. Umgänge gegen den Willen und das Wohl des Kindes dürfen nicht durchgeführt werden.
4) Elternberatung
Kindesinteressen als Richtschnur bedeuten eine wertschätzende sozialpädagogische Arbeit mit den leiblichen Eltern. Elternverantwortung heißt Sensibilisierung für die Entwicklungsbedürfnisse des Kindes. Sie haben nicht mehr die Aufgabe, den Alltag mit dem Kind zu gestalten. Sie müssen akzeptieren, dass ihre Kinder andere Bindungen eingehen, und brauchen dabei Unterstützung.
5) Lebenswirklichkeit der Pflegekinder
Pflegekinder, die schon länger in ihrer Pflegefamilie leben und sich gebunden haben, brauchen die familienrechtliche Anerkennung ihres Lebensortes. In dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 wird im Artikel 12 explizit die Berücksichtigung des Kindeswillens zugesichert. Das betrifft insbesondere familiengerichtliche Entscheidungen zum Lebensort des Kindes.
6) Hilfeplanung als wirkliche Beteiligung
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Hilfeplanung halten wir für zwingend erforderlich. Sie bedeutet nicht notwendigerweise die Anwesenheit des Kindes beim Hilfeplangespräch, sondern die Wahrnehmung seiner Interessen und Bedürfnisse. Dies hat in einer für das Kind angemessenen und verständlichen Form zu erfolgen.
Die schriftliche Dokumentation des Hilfeplangespräches und der Hilfeplan als Verwaltungsakt sind den Betroffenen, einschließlich den Pflegeeltern, zeitnah zur Verfügung zu stellen. Im Hilfeplan ist der Zusammenhang von Hilfebedarf und den Bedingungen der Hilfe deutlich erkennbar darzulegen.
7) Kostenbeteiligung junger Menschen
Pflegekinder müssen mit 75 Prozent ihres Einkommens die Jugendhilfe finanzieren. Das ist nicht im Sinne der Hilfegewährung. Die im KJSG angedachte Regelung der Absenkung der Kostenbeteiligung auf 50 Prozent sowie ein Freibetrag von 150 Euro müssen schnellstmöglich geltendes Recht werden.
8) Soziale Absicherung von Pflegefamilien
Pflegefamilien werden in vielen Kommunen händeringend gesucht. Die soziale Absicherung von Pflegefamilien hat viele große Löcher. Für kleine Kinder ist, analog zum Elterngeld, ein angemessener Beitrag aus der Jugendhilfe zu finanzieren.
Die momentane Regelung zur Alterssicherung reicht nicht aus. Es muss gewährleistet sein, dass Pflegeeltern nicht in Altersarmut rutschen, weil sie Pflegekinder aufgenommen haben und deshalb ihre Berufstätigkeit ganz oder teilweise aufgegeben haben.
9) Schadensregulierung
Die Haftpflichtversicherungen greifen bei Schäden, die Pflegekinder im Haushalt der Pflegeeltern verursachen, meistens nicht. Haftpflicht ist stets an Deliktfähigkeit geknüpft. Diese ist im BGB geregelt. Zwingend zu klären ist, wie Schäden reguliert werden, die Pflegekinder im Haushalt der Pflegefamilie anrichten.
Oktober 2018
PFAD Bundesverband e.V. – Dagmar Trautner
Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. – Kerstin Held
AGENDAPflegefamilien – Renate Schusch
Hier finden Sie das Positionspapier als PDF [289 KB].